AUSTRALIEN, NEUSEELAND UND PAZIFIK
Terra nullius? - Australien und Neuseeland
Flug – leider nachts – von Bangkok nach Cairns im warmen Norden Australiens (alles ohnehin im Sommer dieser Länder): Sommerferien, (weiße, eher wohlhabende) Gäste bummeln herum, eine Ureinwohnerin in farbigen Tüchern, sicher keine Bewohnerin der Wüste, geht etwas watschelnd die Arkaden entlang; es ist eine fröhliche Stadt mit farbig gestrichenen Holzbauten im „Zuckerbäckerstil“, seltener Art-déco, selten Jugendstil: diese Stile sieht man mehr in den Großstädten − von denen Perth und Adelaide „provinziell“ aussehen, nicht aber Sydney und Melbourne; alle, besonders die letzteren drei in landschaftlich herrlicher Umgebung in Meeresnähe − und bei Villen reicher Unternehmer, sowie manchmal, neben (Neo-)Tudor, bei den Residenzen der Gouverneure. Die Regierungsgebäude in Canberra dagegen sind weitläufig, würdevoll im Stil der 30er bis 50er Jahre.
Auf dem Land herrschen weißgestrichene Bungalows vor, wohl mit Veranden, aber keine Herrenhäuser wie in den Südstaaten der USA. Wie weit die Farmgebäude voneinander entfernt sind, sieht man vom Flugzeug aus, wenn sie nur hie und da in der großen Einsamkeit des Busch- oder (im Südosten) Waldlandes auftauchen. –Von den landschaftlich großartigen Gebirgen und Wüsten habe ich nicht viel gesehen.
In Cairns wie auch in den anderen Städten gibt es gutes Essen und Bier ohne die demütigenden Grobheiten in den Pubs, von denen ich gelesen hatte; im Gegenteil, die Leute sind, (noch) mehr als in Neuseeland, hilfsbereit und höflich (ohne unterwürfig oder gönnerhaft zu sein), effizient ohne Verkrampfung; angenehm dabei auch das Fehlen jener englischen „feinen Art“, die bei wohltuendem Verhalten doch sehr oft zu verstehen gibt, wie einzig passend und moralisch eben dieses Verhalten sei. Auch hatte ich eine viel stärkere Amerikanisierung erwartet (diese gab es eher in Neuseeland), doch gingen die Leute recht elegant gekleidet, besonders die Frauen: sie trugen Sommerkleidung oder Kostüme wie in den vierziger Jahren. Das „weiße“ städtische Australien, das mich interessierte, hatte anscheinend keine eigene Art wie die USA, schien eher englisch, ähnelte darin ein wenig dem britischen Teil Kanadas, nicht etwa Neuseeland, das – wenn solche Vergleiche zum besseren Verständnis führen – eher Wales ähnelt (also auch britisch), landschaftlich und vom etwas verkniffenen Menschenschlag her. Wie in Neuseeland, wirkte das Leben in Australien vielfach europäisch (in einer wenig aussagekräftigen Weise, mit wenig kulturellem „Humus“; oder lernte ich es zu wenig kennen?) − Einmal war etwas unbequem in Australien, wie um eine Ausnahme zu statuieren: der Zug von Brisbane nach Sydney; die Strecke war aber ganz hübsch grün, während im Süden von Sydney gelbgraue Trockenheit überwog, in der fast nur Eukalyptusbäume wuchsen.
Brisbane hat trotz seines warmen Klimas viele Backsteinbauten, wirkte aber fröhlicher als das schon kühlere Sydney, welches im Zentrum etwas langweilige Straßen mit würdevollen Sandsteinbauten aufweist, dafür aber mit seinen Vororten herrlich an vielen Meeresbuchten liegt. Das Zentrum von Melbourne ist großstädtisch in älteren vornehm-hellgrauen und einigen kühnen modernen Gebäuden.
Nach Sydney 14-stündige Bahnfahrt, in der das sonst perfekte Australien offenbar zeigen wollte, dass es etwas auch nicht kann: langsame Fahrt auf kleinen Sitzen, kaum Essen zu kaufen, Türklinken auf Kinderhöhe mit Warnschild für Eltern, Kinder nicht zur Tür zu lassen.
Die Landschaft hübsch grün, die Stadt dann recht prosaisch, braune Gebäude von ca. 1890 - 1940, aber prächtige Parks, besonders der beim Gouverneurspalast, den besichtigt: würdevoll-öde, aber mit Hinweisen auf die Geschichte des Landes.; im Hafen das berühmte Opernhaus (nach der großen Erwartung) eher enttäuschend, auch schon abblätternde Fassadenteile; die alte eiserne Brücke aber großartig (dahinter ärmlich-pittoreske Gassen), und sehr schöner Schiffsausflug in die herrlich verzweigten breiten Arme der Bucht mit Villen im Grünen und Sandstränden.
Busfahrt nach Canberra durch trockenes, staubiges, leicht gewelltes Land, Eukalyptusbäume, aber kein einziges Känguruh gesehen!
Caanberra bekannt langweilig und für Fußgänger ungenießbar - riesige Flächen ausgedörrten Rasens mit ein paar Baumgruppen -aber in repräsentativen Regierungsgebäuden konnte ich frei herumspazieren, es war überhaupt niemand da! Die Einrichtung nicht prunkvoll, solide Lederpolstermöbel aus den 50er Jahren.
Flug nach Melbourne, der lebhaftesten Stadt mit den (vergleichsweise) besten Museen (interessante austral. Landschaftsmalerei), gute Restaurants, wo Silvester 2004/5 gefeiert, mit Gedanken an daheim zu früherer Stunde...
Statt der nächtlichen Schiffspassage nahm ich doch einen Flug nach Hobart auf Tasmanien, dessen wilde Berglandschaft ich mir vielleicht doch hätte etwas mehr ansehen sollen, aber das war unerwartet schwer zu organisieren, außer man wollte bergwandern. Immerhin reichte die Zeit für Ausflüge an die zerklüftete Küste bei Bellerive Bluff , wo der Wind richtig kalt wurde, und zur alten Gefängnisstadt Richmond, deren Spätnachmittagssonne eine stille Stunde im hohen Gras bei der katholischen Kirche erlaubte. – Am Hafen von Hobart durch schmale Straßen zwischen dennoch im Wind geduckten Häuschen zum Battery Point, wo ein etwas machohafter Führer mittleren Alters in Uniform eine abfällige Bemerkung über die Franzosen machte (deren Angriff man hier während der napoleonischen Kriege fürchtete! Auf Java waren sie ja schon); davor hatte er mich als Ausländer erkannt und in geschmacklos gespielter Erleichterung „Austreean – well, that´s fine, then“ gesagt: zum Glück das einzige Beispiel von Angeberei in fast drei Wochen Australien. In Neuseeland kamen mir die Leute englischer, ja europäischer im Negativen vor, nicht viel weniger nervös und launisch als bei uns. Sie waren ja auch nicht so reich wie „die“ Australier, und hatten die Maoris nicht fast ausrotten können wie die Australier die „Aborigines“.
Flug zurück nach Melbourne und nach Adelaide, einer besonders regelmäßig angelegten Gartenstadt (als Projekt moralischer Reform gegründet), von deren Mitte man mit einer Straßenbahn durch hübsche Landschaft an die Küste fahren kann; außerdem gehen „Öffis“ nach Victor Harbour am felsig zerklüfteten Meeresufer. − Die Nationalgalerie zeigt angewandte Kunst, besonders Möbel, welche im 19. Jahrhundert die deutschen Einwanderer nördlich der Stadt erzeugt hatten, neben den guten Weinen Australiens.
Schließlich nahm ich doch nicht den Zug für die sehr lange Fahrt durch die Null-Arbor Plain, sondern kam „im Flug“ über Wüsten und gelegentlich brennendes Buschland nach Perth, schön an einer lang gewundenen Bucht gelegen − eine erhebende Sicht auf diese hat man von einer großartigen Platanenallee auf einem nahen Höhenzug. Die Amtsgebäude der Stadt, von ca. 1830, liegen bei einem schön angelegten Park neben der Palmenpromenade am Ufer; im übrigen beherrschen geradezu skurrile bunte „Zuckerbäcker“-Häuser das Zentrum. Beim nahen Hafen Fremantle gibt es einen wirklich entspannenden, weiten, langen Strand (mit gutem, großem Restaurant am Anfang).
In relativ bequemen Flugzeugen ging es quer über den Kontinent zurück nach Sydney, und von dort nach
Neuseeland: Auckland ist herrlich an einer Meeresbucht gelegen, mehr wie ein kleines San Francisco als England; die Queen Street ist wirklich großstädtisch, und die Hafengebäude sind großzügig und fußgängerfreundlich angelegt, beide mit guten asiatischen Restaurants; ein Geschäfts- und Universitätsviertel voll gelungener moderner Hochbauten wird von üppig-subtropischen Parks aufgelockert; die Bildergalerie, wie auch die in Wellington, enthält große Säle mit zeitgenössischer Maori-Kunst: durchwegs dürftige Werke im traditionellen Stil. Ein Künstlerpaar, das ich im Museumscafé kennenlernte, beklagte sich über die kritiklose Unterstützung von Maorikünstlern auf Kosten von ihnen, den „Weißen“.
In Waitangi im warmen Norden (wo ja der österreichische Künstler Hundertwasser lebte und hochgeachtet starb) war das aufwendige, weit außerhalb gelegene Maori-Kulturzentrum ebenfalls unergiebig, und der Maori-Chauffeur des Touristik-Minibusses vergaß die Runde, mit der ich abgeholt werden sollte. Er hatte sich bereits auf der Hinfahrt, als ich ihn noch enthusiastisch über die hölzernen Maori-Denkmälern befragte, die wir passierten, nur zu einem Schnaufen aufgerafft, und die Weiße (man benutzt allgemein das Maori-Wort „Pakeha“) an der Hotel-Rezeption sprach aus, was die (weiße) Dame im Kulturzentrum, die für mich ein Taxi anrief, mir nur mit einem Blick bedeutete: „So sind sie immer...“ (In Wien habe ich später, 2009, einen ganz guten neuseeländischen Film gesehen, in dem, nach dem Roman „Whale Rider“ von Ihimaera, das traditionelle und moderne Leben der Maoris als ziemlich autoritär-bedrückend gezeigt wird.)
Aber am Meeresufer von Waitangi war es schön, bei den bescheidenen weißen Grabsteinen eines kleinen Friedhofs (auch mit klangvollen Maori-Namen) im Wind eines Küstenvorsprungs, und auf der sonnendurchwärmten Holzterrasse des Strandrestaurants – übrigens dem einzigen Ort, wo ich (leise) deutschsprachige Touristen hörte.
Auf der Busfahrt durch die pastorale Landschaft der Nordinsel sieht man sanft geschwungene Hügelzüge aus gelbgrünem Gras mit weniger Schafen als erwartet, und noch weniger Menschen; die wenigen Städtchen sehr klein und eher amerikanisch als provinziell-englisch im Baustil. – Ich besuchte die Familie einer in Wien verheirateten Friseuse, die nicht auf die Farm ihrer Eltern zurück wollte; diese holten mich vom Bus in Hamilton zum „Lunch“ mit ihren Nichten und deren Männern ab (das Familienoberhaupt war ein pensionierter Oberst) und zeigten mir ihr großes Anwesen: die ganze grüne Gegend, die man von ihrer Villa sah, gehörte ihnen; die Nachbarn wohnten jenseits des Horizonts, aber all das schien nicht so leer wie in Australien, sondern war voller Pflanzen und Vieh, durch das der Oberst mit mir auf einem winzigen Geländewagen sauste.
Mit dem Bus weiter nach Rotorua, das mich eher enttäuschte, da ich solche Quellen schon anderswo gesehen hatte und der ganze modern-charakterlose Ort nach Schwefel roch. So ging es wieder weiter mit dem Bus durch eine jetzt etwas dramatischere Landschaft, bergiger, mit dräuenden Vulkanen über der Steppe; eine lange Fahrt brachte mich nach Wellington, bekanntlich ebenfalls herrlich am Wasser gelegen, klimatisch schon merklich kühler; meine Pension war ein heller Holzbau, der am nächsten Morgen ein wenig zitterte: Erdbeben! Ich schaute aus dem Fenster, nirgends Leute in Panik; im Fenster des Hauses mir gegenüber tauchte ein Mann im T-Shirt auf, der mich beruhigte: nur eines der häufigen kleinen Beben, ich solle weiterschlafen. – Der Pensionsbetreiber spricht mich beim Frühstück an, ein Rumäne, der Wien liebt.
Das kulturelle Leben scheint eingeschränkt: von den drei Theatern war eines geschlossen (hatte vielleicht Sommerpause), eines gab nur Shows, und für das moderne neuseeländische Stück im dritten gab es schon lange keine Karten mehr, so selten waren die Aufführungen.
Es lohnt sich, einige der kleinen Villen aus der Gründerzeit Neuseelands zu besichtigen − wirklich viktorianische Holzhäuser, hübsch bescheiden bis auf den gelegentlichen englischen Kitsch bei der Inneneinrichtung. Die ehrenamtlichen AufseherInnen sind ganz liebenswürdige, alte englische Damen bzw. exzentrisch-englische, rüstige Heimatkundlerinnen; sie zeigen einem Stiche an der Wand, die das jeweilige Haus in seinen Anfängen darstellen: immer in freier Natur, ohne Nachbarn in Sichtweite! Daher wohl auch unbedingt die traute Gemütlichkeit im europäischen Hausinnern. – Die anglikanische St. Paulskirche von Wellington ist sehr schön, innen modern, aber stimmungsvoll, ganz in poliertem Holz. Die Architektur kam mir in Neuseeland bemerkenswerter vor als die Malerei, die in Australien durchaus interessant ist.
Die Schiffsfahrt über die Meerenge zwischen der Nord- und Südinsel ist ausgesprochen schön (und frisch): das Wasser in wechselnder Beleuchtung zwischen hoheitsvollen Bergen, die sich dann aus größerer Entfernung zu zarten Panoramen fügen… und so von Picton, dem Nordhafen der Südinsel in einem kleinen Zug an der Küste – die Südinsel ist (noch) menschenleerer als die Nordinsel – gerade hinunter nach Christchurch, das inzwischen von doch durchaus auch gefährlichen Beben verheert wurde.
In dieser von Anglikanern für besonders fromme Anglikaner gegründeten, vornehm-grünen Universitätsstadt war meine Unterkunft ein ganz englisch-vornehm-kitschiges „Bed and Breakfast“, in dem man vor dem Abendessen sogar Sherry oder Port bekam. – In der Nähe liegt auf einer bergigen Halbinsel der Ort Akaroa, von Frankreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet: französische Familien blieben auch nach der Vertreibung der französischen Besatzung, und ihre Namen findet man noch auf Reklameschildern in der Stadt und auf dem alten Friedhof, dessen Grabsteine auf einem wildbewachsenen Hügelchen liegen; ich fand ihn, und wieder unten angelangt, wurde ich aus meinen Betrachtungen von einem älteren Paar aufgeschreckt, das auch diesen Friedhof suchte; und als ich ihnen ganz selbstzufrieden den Weg gewiesen hatte, wurde ich gleich nochmals von einem jungen Paar danach gefragt.
Von Christchurch ging es in dem gerühmten, aber überraschend schlecht gebauten Panoramazug quer durch das zentrale Hochland, nicht ganz so eindrucksvoll wie erwartet, außerdem ab dem Arthur´s Pass im Bus; in grüner Alpenlandschaft bis zur nördlichen Küste, über Greymouth nach Hokitika, angeblich die Maori-Form des bei ihnen beliebten, im 19. Jahrhundert von Österreich aus reisenden Forschers Hochstetter (auch der Ort Haast ist nach einem Österreicher, Museumsdirektor, genannt); dieser historisch also „atmosphärische“ Ort entpuppte sich als unscheinbare Backsteinhäuser-Ansammlung, dessen Einwohner mir aber sehr freundlich den Weg zu einem Bierchen zeigten, bevor ich in mein sehr amerikanisches Motel einkehrte.
Darauf Busfahrt an der wilderen Nordküste entlang über den Ort (beim gleichnamigen Gletscher) Franz Josef zu dem Ort Fox Glacier, in einem grünen Tal in der Nähe des ebenfalls gleichnamigen Gletschers. Zu diesem wollte ich aber nicht, nur auf einen Abendspaziergang in kühlem Wind über goldgrün leuchtende Weiden (mit freilaufendem Vieh...) zu dem kleinen, weißen, alleinstehenden Holzbau der katholischen Kirche auf einer ganz grünen Wiese mit unzähligen fröhlichen Gänseblümchen! Darauf in die „Lounge“ des feinen alten Landhotels am Ortsrand zu einem Sherry und einer weisen Unterhaltung (über Lebensangst und Lebensfreude) mit einer kleinen Gruppe außergewöhnlich herzlicher EngländerInnen, die einander schon von daheim kannten. Reist man lange allein, ist es besonders wohltuend, sich angenommen zu fühlen. Von dort eine Touristen-Busfahrt in das landschaftlich wirklich schöne Berg- und Seengebiet um Queenstown, wo ich ebenfalls in einem guten Hotelzimmer untergebracht war, mit Seeblick, und tags darauf mit fast denselben Touristen und einem etwas rüden Chauffeur die weitgehend leeren Ufer herrlicher großer Seen entlang und durch dichte Wälder mit phantastischer Flora (Farne! Zum Glück ohne die angekündigten Mücken) zum Milford Sound; auf diesem ein vorgebuchter Schiffsausflug zwischen steilen, düster bewaldeten Bergen – wie gesagt, für mich etwas belanglos beim Fehlen menschlicher Behausungen, Pfade, Geschichten. (Auch Maoris gibt es hier weniger als im wärmeren Norden.)
Schließlich wieder mit einem Linienbus durch weiterhin eindrucksvolle Bergtäler und dann geschwungen hügeliges Farmland (alles immer grün) nach Dunedin an der Südküste, der Hochburg schottischer Siedler: und wirklich hielt der Schottenverein der Stadt in dem alten, bequemen Hotel mit Pub, abgetretenen Teppichen und Holztäfelung ein feierlich-fröhliches Dinner ab; ich zog mich um, erzählte den alten Herren vom Schottengymnasium in Wien und durfte bei dunklem Bier ihrer Dudelsackmusik lauschen. Als ich mich am anderen Morgen über die viktorianisch dekorierten Gebäude des alten Bahnhofs und des „Octagon“-Platzes zur presbyterianischen Kirche durchgeschlagen hatte, erwartete mich in dieser ein besonderes musikalisches Ereignis: mehrstimmig in mächtigen schwellenden Melodien gesungene Kirchenlieder beim Sonntagsgottesdienst von (eingewanderten) Cook-Insulanern! Diese waren in schwarzen Anzügen gekommen, bzw. die Damen hoch frisiert und geschminkt in langen bauschigen Röcken und Blusen.
Ein Ausflug führte auf die landschaftlich reizvolle Otago-Halbinsel zum Larnach Castle, der prächtigen Villa im Tudor-Stil eines sehr erfolgreichen Unternehmers, der dann aber wegen eines Familienskandals Selbstmord beging.
Flug zurück nach Auckland mit atemberaubenden Ausblicken auf Land und Meer, malerische Buchten und wilde vulkanische Berge; sowie (leider nachts, mit Datumsgrenze) nach Tahiti!
Prosafassung von Jugendträumen - Pazifische Inseln
Wie vorhergesagt, regnete es im Februar (2005) die halbe Zeit auf Tahiti, aber zur Gutwetterzeit in unserem Sommer hätte der Flug viel mehr gekostet, und die Regenzeit gehört schließlich auch zur Wirklichkeit; es war denn auch interessant, vom Hotelfenster in Papeete Jugendliche im Regen auf einem Platz hinter den Marktbuden so ausgelassen spielen zu sehen wie es unsere Kinder bei Schneefall tun.
Das Hotel war ein gemütliches kleines Haus mit Croissants und Milchkaffee zum Frühstück. Die Stadt hatte, anders als die eher nichtssagend-modernen von (beiden) Samoa(s), ein tropisch-französisches Flair in den schmalen Nebenstraßen mit zierlichen älteren Häusern und reichlichem Buschwerk (auf alten Fotos war das auch zu sehen, manchmal ändert sich der Habitus einer Stadt in hundert Jahren kaum). Die Landschaft, besonders auch die von Moorea, war auch in den Nebelfetzen um die bizarren Bergspitzen sehr eindrucksvoll. – Bei dem Ausflug nach Moorea (erst auf einem Linienschiff, dann im Touristenkleinbus) war der Reiseführer ein schöner, ziemlich gebildeter junger Polynesier (mit völlig flüssigem Französisch, wie fast alle; er gratulierte mir, als ich über die Umfriedung einer geschlossenen Kirche kletterte, um die Wandmalerei aus den vierziger Jahren durch die Fenster zu betrachten). Österreich war ihm natürlich ein Begriff, von seiner Wehrpflichtzeit in Straßburg her. Politisch war er gut informiert; wie auf Martinique gab es hier die großen französischen Zeitungen an den Kiosken. Er und andere (eben z. B die Leute beim Zeitungskiosk) hielten nicht viel von den Politikern Tahitis, ob Unabhängigkeitspartei oder nicht; nur in den lokalen Zeitungen herrschte politischer Eifer vor den nahenden Wahlen; die Polemiken waren von bemerkenswerter Grobheit.
Auf Moorea hatte ich nach Besichtigung des Gauguin-Museums und der Hütte, in der er eine Zeitlang wohnte, in einem Touristengeschäft nach fünf Gläschen verschiedener ausgezeichneter Fruchtliköre als Gratisproben (sie wurden nur in großen Flaschen verkauft , zu schwer für mein Fluggepäck) ein Büchlein erstanden, „Peau d´bananes“, von einem französischen Pflanzer geschrieben, der als armer Bauernsohn zur Handelsmarine gegangen war, um nach dem 2. Weltkrieg, den er als Kind erlebt hatte (keine Deutschenbeschimpfung in dem ganzen Buch), „einen Ort ohne Hunger und ohne Krieg“ zu finden. Sein Schiff wurde dann doch im französischen Vietnamkrieg vor den Küsten Vietnams eingesetzt, andererseits bekam er durch diesen unvorhergesehenen Einsatz so viel Extralohn, dass er sich die Pflanzung auf Moorea kaufen konnte. Eine rührende Szene in diesem überzeugenden Buch handelt vom Abschied des alten Maschinisten von seinen Apparaten, die er dem nachmaligen Erzähler übergibt. Plötzlich mitten im Text Gedichtzeilen von Lamartine: „Habt ihr (Maschinen) wohl eine Seele, dass ihr unsere Seelen so ansprecht?“ – Wieder in Papeete im Hotel erkundigte ich mich bei der strahlend lächelnden, vollbusigen und eleganten Rezeptionistin oder Eigentümerin , einer Polynesierin, nach dem Autor: „Pierre Nardi“, rief sie, „ ja, hat Ihnen das Buch gefallen? Wie sind Sie denn auf ihn gekommen? Ach so, ja, er wohnt immer noch auf Moorea, wollen Sie ihn anrufen?“ So kamen wir in Kontakt.
Samoa (Sommer 2004, wie Hawaii von Kalifornien angeflogen): erst die amerikanische Insel Tutuila mit dem Hauptort Pago Pago. Mein Hotel am inneren Ende der langen Bucht zwischen tropisch wild bewachsenen Bergen entpuppte sich als eine Pension mit Nachtklub, in dem mir nun, am späten Abend, die Mädchen an der Bar immerhin noch ein Bier gaben, mit dem ich den Hunger hinunterschluckte; ich kam ins Gespräch mit einem Amerikaner, der in Vietnam gewesen war und, sagte er, hier seine mäßige Rente mit einer einheimischen Lebensgefährtin verzehrte; er hatte so wahnsinnige Sachen erlebt, dass ich ihn ermunterte, diese zu schreiben.
Die Seite der Bucht, an der ich am nächsten Vormittag auf dem Weg nach Fagatogo, dem Zentrum von Pago Pago, in schwüler Luft entlang ging, war am Wasser flach, so dass man keinen pittoresken Blick hatte. (Danach nahm ich meist einen der billigen Minibusse, die dauernd hin- und herfuhren, offen und buntbemalt – überhaupt war American Samoa nicht so amerikanisiert, wie ich gedacht hatte, eher ein wenig „Dritte Welt“-mäßig, ähnlich dem unabhängigen West-Samoa, nicht arm, aber schäbig, und, wie auch andere Orte auf Südsee-Inseln, ganz kleinstädtisch: natürlich, es sind ja auch kleine Gemeinwesen.)
Mittagsimbiss (eine scharfe Fleischspeise mit Ananas- und Kochbananen, dazu tropische Fruchtsäfte, den karibischen Speisen nicht unähnlich) in Sadie Thompson´s House (Somerset Maugham-Reminiszenzen!), wo ich die feuchte Hitze auf der Veranda der eisigen Air-condition im Innenraum vorzog; die Kellnerin gemessen-freundlich, wie die meisten Frauen hier hochgewachsen und wohlproportioniert, mit etwas groben Gesichtern (aber nicht primitiv wie bei Gauguin), würdevoll in langen engen Röcken mit Blusen; die Männer meist groß und dick, was ja ein Merkmal von Prestige sein soll, unschön ihre stämmigen Beine, da ihre übliche Kleidung aus Hemd und knielangem Schurz besteht.
Im – hierzulande, hätte ich fast gesagt − bekannten Rainmaker´s Hotel waren kaum Gäste, es ist in jeder Hinsicht (jetzt) ein grauer moderner Bau. Vom eigenen Hotel wollte ich zur katholischen Kirche gehen, wo Vorbereitungen für ein Fest am nächsten Tag getroffen wurden. Sie lag am Ende der Bucht jenseits einer sumpfigen Wiese, und da ich den Weg, den man mir im Hotel beschrieben hatte, zunächst verfehlte, rief mir die Dame aus dem Hotel die richtige Abzweigung zu – sie hatte mir fürsorglich aus einem Fenster nachgeschaut!
Die Festmesse war dann ergreifend prächtig, mit schön gekleideter und noch schöner singender Gemeinde (mehrstimmig, in der wohlklingenden polynesischen Sprache), und einer langsamen Tanzprozession ausgesucht schöner, traditionell gekleideter Mädchen und Burschen, letztere die hellbraunen bloßen Oberkörper wohlriechend eingeölt. Es wurden Blumenkränze durchgereicht, ich gab einen der neben mir sitzenden Dame, aber sie hängte ihn mir um.
Bei stürmischem Regenwetter im Kleinflugzeug nach Westsamoa auf die Insel Upolu., durch Wolken zu einem chaotischen kleinen Flugplatz. Das Gepäck kam erst mit nachfolgenden Flugzeugen am nächsten Tag. − Die Hauptstadt Apia ist natürlich eine Kleinstadt, eher neue Häuser gesichtslos bis auf einige der schwungvoll modernen Regierungsgebäude an der Uferstraße der Bucht, an der noch ein deutsches Denkmal steht. (Westsamoa war ja bis zum 1. Weltkrieg deutsch).
Das Hotel ist ein angenehmer alter Bau mit Rattanmöbeln und großer luftiger Veranda, auf der die Angestellten, wieder hochgewachsene Frauen, die Gäste unter humorvollem Geplauder bewirten; vorwiegend sind das kraushaarige, nämlich eher melanesische, Männer von den Fidschi-Insel, die hier an irgendeiner Konferenz teilnehmen: sie sind ebenfalls groß und sehr selbstbewusst − keine Inder unter ihnen, die ja zurzeit in Fidschi politisch benachteiligt werden; außerdem ein paar stille Australier.
Am nächsten Morgen um 7 Uhr zur täglichen Flaggenhissung der Polizei: zunächst am luxuriös renovierten Aggie Grey´s Hotel vorbei zum Polizei-Hauptquartier an der Uferstraße, dem Versammlungsplatz der Truppe; Zuspätkommende wurden gleich zu ein paar Liegestützen verdonnert – ich wandte mich zunächst diskret ab, aber es schien ihnen nichts auszumachen: lächelnd gaben sie ihren Tropenhelm einem Kameraden zum Halten, lächelnd erhoben sie sich wieder; schließlich marschierte die Abteilung (in blauem Waffenrock, schwarzem Schurz und Sandalen) unter Blechmusik zum Unabhängigkeitsdenkmal, wo die temperamentvolle Nationalhymne gespielt wurde, während die Flagge am Fahnenmast emporstieg.
Taxifahrt hinauf nach Valima, dem Landsitz von Robert Louis Stevenson! Eine der dekorativsten Villen der Insel (im „tropisch-viktorianischen“ Stil mit Veranda rundherum), etwas steril renoviert auf einer großen Fläche makellosen Rasen (aber der tropische Rasen ist kein dichter Teppich zarter Halme wie „unser“ englischer, sondern besteht aus ebenso kurzgeschorenen, aber dickeren und härteren kleinen Blattpflanzen); dahinter erhebt sich der Berg, auf dessen Höhe sich das steinerne Grab des Dichters befindet, des bei den Einheimischen beliebten „Tusitala“: ein kurzer Fußweg durch den üppigen Regenwald zur Lichtung mit dem großen Steinsarg, dann bei schon beginnendem Nebel zum Haus zurück, dessen halbdunkles Interieur einfach und bequem mit Ledersofa und Korbsesseln möbliert ist, und mit einheimischen Kunstgegenständen an der Wand.
Im Minibus an der Küste entlang bis Faleta, vorbei an Dörfern aus traditionellen Hütten, wohlgebaut mit meist unter die Strohdächer hochgerollten Matten an den Seiten, bescheiden, aber selten ärmlich, meist sehr sauber, schön im Grün malerischer Buchten. Ein junger Mann erzählte mir von der noch sehr autoritären Familienstruktur, die aber z. B ihm, derzeit arbeitslos, die Basisversorgung garantiere. Er wollte keineswegs Geld, also bat ich ihn, auf meine Kosten beim nächsten Halt drei Flaschen Bier zu kaufen, eine für mich, eine für ihn und eine für die übrigen Passagiere. Das tat er gern, alle bedankten sich lächelnd und zeigten mir die kleine weiße Methodistenkirche von Piula, die aber nur zu Gottesdiensten offen sei. Bei der Endstation ging ich in dem Dorf spazieren und wollte mich bei einsetzendem warmem Nieselregen in einer leeren offenen Hütte mit niedriger weiß gestrichener Umfassungsmauer unterstellen. Bald setzten sich ein paar junge Samoaner auf die Mauer und forderten mich auf, mich auch zu setzen; ich hatte mich gerade nicht mehr rechtzeitig erinnert, dass man ja auf den Südseeinseln höflicherweise nicht etwa stehen, sondern sitzen soll (um niemanden zu überragen) − besonders hier, dem Versammlungshaus des Dorfes, wie man mir erklärte; ich solle aber ruhig bleiben, denn sie träfen sich ja hier auch nur zur Besprechung des nächsten Fußballspiels. Ob ich auch ein Bier wolle?
Dann Rückflug nach Pago Pago mit Sicht auf die Inseln und nach Los Angeles. Am Flughafen on Apia hatte ein Mädchen viel geweint, vor einer wohl längeren Abwesenheit von den Inseln, wie sie viele hier aus Studien- oder Arbeitsgründen auf sich nehmen müssen.
Die kleinen Inseln des Pazifik sind mindestens heute viel prosaischere Orte als man es sich in meiner Jugend vorgestellt hat: eigentlich ländliche Gegenden mit einem Dorf oder mehreren Dörfern und einer winzigen Kleinstadt, vom Meer umgeben, dessen Weite aber nicht so ungeheuerlich wirkt – auch das Wasser sieht man ja immer nur bis zum Horizont; außerdem ist eine solche Insel zwar im Atlas winzig, aber dann doch groß genug für den Menschen, der sich dort bewegt, in ihr, nicht wirklich auf ihr, als ob man überall gleich wieder an einen Strand käme oder das Meer sähe. Aber durch ihre Lage in der weiten Südsee haben diese Inseln ein besonderes geographisches Gewicht und, mindestens für das romantische Gemüt, eine heroische Qualität. Ich wollte auf die Karolinen, in Mikronesien.
Von Cairns (Australien, Dezember 2004) also ein Nachtflug (über Neuguinea!) nach Guam, wo vom Flughafen an einigen riesigen Strandhotels im Grünen vorbei zu meinem bescheideneren Hotel am Rand der Hauptstadt Agaña. Der Geschäftsführer ist ein Chinese, der die Klassiker der deutschen Literatur kennt!
Zum Essen musste ich die von starkem Verkehr mit mörderischer Geschwindigkeit (ganz anders als in den USA) befahrene Einfallstraße vor dem Hotel überqueren, Autobusse um die Insel gab es angeblich nicht, so dass ich für den Tag meiner Rückkehr von der mikronesischen Insel Yap eine Rundfahrt im Taxi mit dem Hotelier aushandelte. Bei dieser sah ich dann auf der insgesamt doch langen Küstenstraße schöne Meeresbuchten, weiße Häuschen und kleine katholische Kirchen mit neubarockem oder einfach kitschigem Interieur. Jetzt aber gelang es mir nur mit Mühe, den Taxifahrer, einen dicken Filipino, der offenbar nur Tagalog sprach und sich in der Stadt kaum auskannte, zu einer Bank im Zentrum der Stadt zu dirigieren; dort Geld zu beheben, war erst bei einer anderen Bank möglich und auch dort sehr umständlich. Zu Fuß im nachlassenden Regen zur Kathedrale; der Höhepunkt ihrer geschmacklosen Ausstattung stand auf ihrem Vorplatz: eine Statue Papst Johannes Pauls, die sich ununterbrochen langsam um sich selbst drehte. Rundum ein Konglomerat unschöner neuerer Bauten, fast keine Leute auf der Straße. Ein Restaurant gab es offenbar nicht, die Kunstgalerie war aufgelassen worden – es schien, als habe die USA, welche einen gewaltigen, flächenmäßig sehr ausgedehnten, aber völlig isolierten und von außen versorgten Militärstützpunkt auf der Insel unterhält, diese ansonsten der Vernachlässigung preisgegeben.
Von Guam, leider wieder im Nachtflug, im Propellerflugzeug über den Ozean, zu den früher einmal deutschen, dann japanischen, amerikanischen und schließlich „unabhängigen“ Karolinen, auf die Insel Yap. Der Hauptort liegt an der Mündung einer engen Bucht mit stillem, dunklem Wasser, in dem keiner badet; das Meer tost erst weit draußen gegen das Korallenriff. Bei Sturm kann die Flut schon gefährlich werden, vor allem aber der Wind. Die Schäden des letzten Taifuns waren an der Brücke über die Buchtmündung noch sichtbar, und er hatte die Gruppe von Hütten unter Palmen an einem Strand auf der anderen Seite der Insel zerstört, welche in ihrer Originalität eine kleine Touristenattraktion gewesen war. Außerdem gibt es für reichere Fremde Segelmöglichkeiten, aber offenbar sehr wenige, ich sah jedenfalls nicht einmal die Andeutung eines Yachthafens.
Das Inselinnere dient dem Gartenbau; die Fruchtbüsche verwehren einem – da die Insel flach ist – den Blick von den schmalen Straßen auf die Hütten. Ich konnte nicht erkennen, welche Straßen für nicht dort Ansässige tabu waren bzw. wo man sich mit einer kleinen Geldgabe die Erlaubnis vom Häuptling der jeweiligen Sippe holen konnte. Die Hütten standen nicht in Dörfern zusammen und es ließ sich kaum jemand blicken. Vielleicht sah man mich, nahm aber keinen Anstoß; ich war ohnehin der einzige Tourist außerhalb des Ortes. Dieser bestand aus einer Anzahl bescheidener Häuser europäischen (nicht amerikanischen) Baustils unserer fünfziger Jahre mit Wellblech- oder Teerdächern, der Verputz oder Anstrich abgeblättert, sowie einer schlichten katholischen Kirche, innen fast ohne Ausstattung, mit Linoleumboden, über der sanften Anhöhe auf der meinem Hotel gegenüberliegenden Seite der Bucht. Auf der Anhöhe befand sich das Luxushotel der Insel im amerikanischen „Plantation“-(Tropen-)stil, ganz aus weiß lackiertem Holz mit Korbsesseln auf der Veranda, von zwei eleganten Amerikanerinnen betrieben, die mir zwei verschiedene hervorragende Tropencocktails servierten (ich ging nur einmal hin, es war immer sehr schwül) – die wenigen anderen (amerikanischen) Gäste waren nicht da, angeblich irgendwo beim Hochseefischen oder Schnorcheln. Das war die einzige mondäne Stelle der Insel.
Die Post war entfernt, fast am inneren Ende der Bucht, etwas mühsam in der Hitze, und man musste alle Sendungen dort persönlich aufgeben, bekam aber schöne Marken. Näher an der Küste lagen auf Rasenstücken das vergleichsweise elegante Regierungsgebäude aus weiß gestrichenem Holz und das ebensolche Archiv: die Archivarin war allerdings beurlaubt, und die beiden fröhlichen, hübschen Praktikantinnen in weißen europäischen Sommerkleidern konnten mir keine Dokumentation zum Anschauen bringen, wussten offenbar ohnehin nichts von der deutschen Kolonialzeit; das war im historischen Museum anders, welches im sandigen Boden fast direkt am Wasser, sozusagen am offenen Ortsende, auf Pfählen stand (ich lief erst daran vorbei, erst an der Spitze der kurzen Mole, an der das Wrack eines kleinen Öltankers lag und in der Hitze immer noch nach Benzin roch, kehrte ich um). Dort zeigten mir ein hagerer Akademiker (mit schütterem, bei den Insulanern seltenem grauen Bart) und seine australische Assistentin, die sich auf ein halbes Jahr hierher verpflichtet hatte, Dokumente aus der deutschen Ära und Bücher darüber; ich durfte mir Seiten zum Kopieren aussuchen, aber der Kopierer ging nicht, und das australische Mädchen flüsterte mir zu, nicht auf die versprochene spätere Übersendung zu hoffen; ich bekam aber zwei Schwarzweißfilme über einheimische Feste auf den Outer Islands zu sehen, bei denen sich Reihen von Frauen mit Federschmuck und Muschelketten im Sitzen wiegten und mäßig schön sangen. (Beim Hotelfrühstück in Bangkok hatte ich übrigens einen Amerikaner kennen gelernt, der dreißig Jahre vorher auf Yap Administrator gewesen war und von dem „echten“ Leben auf den „Outer Islands“ dieses Archipels schwärmte; er fürchtete allerdings, es sei dort auch nicht mehr so wie früher und wollte daher nicht unbedingt den Wunsch seines Sohnes erfüllen, mit ihm nochmals dorthin zu fahren; ich riet ihm zu, fand es aber selbst zeitlich kaum machbar, da es nur einmal wöchentlich eine Verbindung gab.)
Auch zeigte man mir ein Exemplar der rezenten Dissertation einer Österreicherin über den einheimischen Wickelrock (auf Deutsch, niemand hier konnte den Text verstehen); diese Studentin war beliebt, hatte Betel gekaut und mit den Einheimischen getrunken, ja sie hatte im selben Hotel wie ich gewohnt. Dessen Inhaberin, eine elegante Matrone, und ihr Sohn erinnerten sich auch sehr gut und gerne an sie, wussten aber nicht, wo sie jetzt sei, was ich auch später nicht eruieren konnte. – Ich probierte auch das Betelkauen, nahm aber weniger als die Einheimischen, die gewöhnlich eine ganze Kugel im Mund haben, wobei Männer wie Frauen diese beim Reden in eine der Backentaschen schieben, wodurch sie unschön aussehen, als hätten sie einen Abszess. Da also bei mir keine Wirkung auftrat, empfahl mir einer der Zuschauer, einen Zigarrenstummel mit zu kauen; die Szene fand in dem kleinen offenen Lebensmittelladen statt, den die Hotelbesitzer auch betrieben.
Zuvor hatte ich im bescheidenen Supermarkt des Ortes eingekauft – der immerhin mehrere Regalwände hatte…und um eine Ecke kam plötzlich eine barbusige Frau! Die Leute hier waren nicht so häufig dick wie auf anderen Inseln, vor allem die Frauen hatten gute Figuren; ihre Kleidung ähnelte der auf Samoa, in gedeckten Farben, nur oft fadenscheinig, und eben manchmal ohne Bluse.
Schließlich brachte mich der Sohn der Wirtin zu dem Platz, wo der Taifun die noch original mikronesischen Hütten verwüstet hatte − außer einer weiter innen gelegenen, die nun gratis besichtigt werden konnte: warm und geborgen fühlte ich mich im halbdunklen Innern (ohne Mobiliar), von fest gefügten, geglätteten Holzstämmen umgeben, unter dem dichten Schilfdach und auf den Planken des Fußbodens, der sich auf niedrigen Pfosten über den Sandboden erhob. Zwischen den verwitterten abgerissenen Blättern der umgeknickten Palmen stand ein geweißter Grabstein mit einem deutschen Namen. Ein alter Mann in Turnhose erklärte mir, dass es noch lange dauern werde, bis dieses Dorf wieder stünde. Ich verstand ihn nicht gut, besonders, da er eine Betelnuss im Mund hatte. (Gewöhnlich war das Englisch der Leute hier erstaunlich gut, jedenfalls im Vergleich zu meinen paar Wörtern ihrer Sprache) Er saß auf einem Stamm, den er schon behauen hatte und bearbeitete gerade den zweiten mit einer kleinen Axt; ich sah seinen mageren Oberkörper und bewunderte seinen Mut, aber er sagte: nein, wenn man weiß, wie es geht...eben ein richtiger Handwerker, das war wohl überall auf der Welt so!